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Helfer mit Herz

Seit März helfen Ehrenamtliche aus Hamburg und Umland Tag und Nacht, um aufzufangen, wo die Stadt nicht hinter­herkommt. Von kollabierenden Kindern und unterkühlten Säuglingen von den Hamburger Behörden, über Wiederzusammenführung von Familien und Haustieren, bis zur Organisation von Rollstühlen,Windeln, Tests – Hamburger Bürger helfen gemeinsam mit HELFER HBF e.V., HILF HELFEN HAMBURG e.V., ALIVE!KULTUR e.V. und weiteren gemeinnützigen Vereinen, wo Not ist und halten zusammen wie schon ab 2015/-16 bei den Geflüchteten aus Syrien.

Schicksale wie ein 4-Jähriger Junge mit Epilepsie, der nach nur zwei Wochen in der Erstaufnahmestelle nicht mehr sprechen und laufen konnte und von Ehrenamtlichen mit schweren Kopfverletzungen ins UKE gebracht werden musste und nun privat mit seiner Familie bei Medizinern untergebracht ist, berühren die Helfer sehr und sind leider keine Einzelfäl­le…

Immer wieder müssen Zivilisten Situatio­nen meistern, fahren unterstützen, beraten und begleiten.

Wie am 1. Tag der Flüchtlingswelle, als ein Mann versucht hat, die Kinder am Hamburger Hbf abzufangen, um sie angeblich zu einem „Kinderhaus“ bringen zu wollen. Zum Glück sind die ehrenamtlichen Helfer auf Grund eines „seltsamen Bauchgefühls“ eingeschritten und der Mann, der gar kein Kinderhaus hat, ist ohne die Kinder geflohen.
OXMOX hat exklusiv mit Helfer Marco Michel vom HELFER HBF e.V. gesprochen, der sich Tag und Nacht für die Vertriebenen einsetzte, die teils in zerschossenen Autos schwer traumatisiert in Hamburg ankommen.

Was würdest Du jetzt normalerweise tun, wenn Du nicht gerade ehrenamtlich helfen würdest?
Normalerweise genieße ich die Urlaubszeit mit meiner Familie, da ich sonst in Delmenhorst stationiert bin und unter der Woche nicht Zuhause bin. Im Urlaub verreisen wir sonst oder ich spiele mit meinem Sohn leidenschaftlich Fußball, wir machen uns halt eine schöne Familienzeit.
Wie kamst Du dazu, den Geflüchteten zu helfen?
Ich bin Soldat, saß mit meiner kranken Familie Zuhause. Dort fühlte ich mich auf Grund der Situation total hilflos und konnte mir das Leid der Ukrainer nicht mehr im TV angucken, es brach mir das Herz, hilflos am TV zuzuschauen und ich konnte nichts ausrichten. Mir kamen die Tränen als ich die weinenden Kinder & Mütter gesehen habe.
Dann habe ich einen Aufruf gesehen, dass Sie Hilfe am Hbf (ASB in Rissen) bräuchten beim Sortieren von Spenden. Dem habe ich mich dann angenommen und so bin ich in die ganze Helfer Geschichte reingerutscht.
Was sagt Deine Familie dazu?
Sohnemann Tyler, 10 Jahre: Also ich finde es super wie viel mein Papa bereits gemacht hat. Besonders toll finde ich, dass er sich 24/7 für sie eingesetzt hat. Er hat Essen an sie verteilt und Kuscheltiere an die Kinder gegeben. Wir haben zwar weniger von Papa zu Hause gehabt – aber wir wissen ja wo er war und wem er geholfen hat.
Ehefrau Sandra: Mein Mann Marco hat da­mals bei der Bundeswehr angefangen, damit er Anderen helfen und etwas Gutes tun kann und weil er davon überzeugt ist, dass jede Hand etwas bewirken kann.
Als wir vor einigen Wochen in Isolation zu Hause saßen, verbrachte er jeden Tag vorm TV. Sofort spendete mein Mann Geld – immerhin war dies momentan das Einzige was er tun konnte, denn wir durften ja nicht raus.
Er war sichtlich froh endlich selbst tätig werden zu können, als Tag 1 nach der Isolation kam.
Seitdem war er von morgens bis abends als freiwilliger Helfer unterwegs; zunächst für den ASB, dann für diese selbst gefundene kleine Gruppe, die so viel auf die Beine stellte- z.B. Sachspenden sammelte, Essen organisierte und vor der EAZ in Rahlstedt verteilte. Ich finde es großartig wie toll mein Mann sich engagiert. Ich weiß, wie sehr es ihn frustriert hat, dass die Stadt Hamburg den Freiwilligen so viele Steine in den Weg gelegt hat.
Aber wie lautet das Motto seiner Einheit?: GEHT NICHT GIBTS NICHT!“

Mittlerweile hast Du Dich ja mit anderen ehrenamtlichen Helfer (Helfer Hbf e.V. , ALIVE!KULTUR e.V. und Hilf Helfen Hamburg e.V.)  zusammengetan und bist nicht mehr für den ASB unterwegs. Was habt Ihr bisher an Hilfe auf die Beine stellen können?
Wir haben Sachspenden gesammelt wie Klei­dung, Windeln, Hygieneartikel, Kinderwagen u.v.m..
Fressnapf XXL hat uns auch ganz toll unter­stütz mit Tiernahrung,Transportboxen,Leinen u.v.m für Hunde und Katzen, Näpfe u.v.m..
Desweiteren arbeite ich mit einer Apotheke zusammen um Medizinische Produkte für die Tiere aus der Ukraine zu bekommen, zusammen mit dem Spenden von Fressnapf bringen wir die Dinge direkt in die Ukraine und versorgen so die Tiere dort.Wie man merkt liegen mir auch Tiere sehr am Herzen.Außerdem haben wir Dolmetschergruppen und Erstaufnahme-Helfer organisiert und Warmes essen ausgegeben.

Welche besonderen Momente hast du erlebt?
Ein Lächeln von Kindern, wenn man ihnen ein Kuscheltier in die Hand gedrückt hat.
Oder ein Lächeln, wenn man den Geflüchte­ten ein warmes Essen oder Süßigkeiten und zu Trinken gegeben hat.
Wir konnten die Katze Asija retten und den Besitzer wieder ausfindig machen. Asija kam mit seinem Besitzer in einer Decke eingewickelt zum Bargkoppelweg. Dort ist sie ihm kurz vorm Eingang entlaufen. Abends konnte sie eingefangen werden und ich habe die Erstversorgung bei mir Zuhause gemacht.
Ole (Helfer-Kollege) hatte ihr dann ein vorübergehendes Zuhause geboten.
Wir haben Aushänge rund um den Ort, wo Sie entlaufen ist, angebracht, um den Besitzer ausfindig zu machen- was uns auch gelungen ist! Daraufhin konnten wir mit dem Besitzer die Katze auch wieder aus dem Tierheim holen und Ole ist derzeit Katzenpflegepapa.
Sehr emotional. Ein Happy End für alle Par­teien. Wir haben einen kleinen 3 Monate alten Hund aus Kiew bei uns Zuhause aufgenommen. Die Familie musste aus Kiew flüchten und wollte, dass ihre Hunde ein schönes sicheres Zuhause bekommen, da konnte ich nicht nein sagen.
Gab es auch Schockmomente?
Am Hbf ist ein Geflüchteter zusammengebro­chen und ich habe erste Hilfe geleistet.
Weinende Mütter, die mit Ihren Kindern auf dem Arm an der EZA in Rahlstedt ankamen, nachdem Sie Tage lang ihre Kinder auf dem Arm getragen haben.
Kinder, die aus dem HVV Bus stiegen an der EZA Rahlstedt und erstmal völlig fertig über ihrem Gepäck zusammengebrochen sind.
Vertriebene an der Hammerstraße die in der Kälte Tage und Nächte lang standen. Bilder von richtig schwer Verletzen Tieren,wie verbrannt,­gebrochene Knochen,angeschossenen Tieren,einfach nur Schreckliche Bilder die keiner so sehen möchte.

Was ist beim ASB und der Stadt orga­nisatorisch schief gelaufen?
Bei der Stadt ist einiges an organisatorischen Dingen schiefgelaufen. Es war für keine Ver­pflegung gesorgt, keine WCs, keine Sanitäter.
Die Tiere der vertriebenen durften nicht mit in die Einrichtungen der EZA Rahlstedt rein und somit war totales Chaos vor der Einrichtung und die Besitzer waren natürlich total am Weinen und aufgelöst.
Von der Stadt war für den Fall für nichts gesorgt – keine Tierboxen oder Ähnliches.
Wir haben einen Brandbrief an die Stadt ge­schrieben, indem wir aufgeführt haben, was alles schiefläuft und wie wir als Organisation / EA Helfer die Stadt unterstützen können. Wochenlang kam nichts von der Stadt, keine Antwort. Nach 3 Wochen kam dann mal eine E-Mail, dass sie die Zustände für OK erachten.
Die ASB-Jacken ablegen mussten wir nicht, sondern wir haben Sie selbst abgelegt.
Der Auftrag der Innenbehörde für den ASB war: Links DB Tickets für die Weiterfahrt, rechts zum Bus, der die Vertriebenen zur EZA nach Rahlstedt bringen sollte.
Ich wurde am HBF am ersten Tag einfach stehen gelassen und mit allem allein gelassen. Ich habe die Erstaufnahme- Helfer besorgt, die Dolmetscher-Gruppen, Spenden, Wasserkocher aus eigener Tasche besorgt sowie die Toilette für die Vertrieben bezahlt oder auch kleine Snacks für die Geflüchteten organisiert.
Ich hatte zu Beginn absolut zwei Tage keinen Kontakt zu den ASB Personen bzw. es wurde auf keine WhatsApp oder Anruf reagiert. Wir oder ich waren auf uns allein gestellt und haben alles selbst geregelt oder organisiert. Vom ASB hat sich absolut keiner Blicken lassen.
Den einen Samstag stand ich 18 Std. am HBF und den Sonntag 13 Std.
Am zweiten Tag spät abends war dann ein äl­terer Herr vom ASB der Meinung, sich doch endlich am Hbf mal blicken zu lassen und hat erstmal alle Helfer zu Sau gemacht.
Wir wären scheiße, die eine wäre zu fett, die andere zu hysterisch und, wenn wir ein Helfer Syndrom hätten, dann wären wir dort am falschen Platz.
Er hatte uns verboten Süßigkeiten und Kuscheltieren an Kinder ausgeben, kaum war die Presse vom TV da, hat er sich genau die Sachen geschnappt und einem Behinderten ukrainischen Kind in die Hand gedrückt. Ich könnte noch viel mehr erzählen was passiert ist, aber das war für uns der ausschlaggebende Punkt, dass wir gesagt haben wir ziehen die ASB-Jacke aus und organisieren uns Privat oder schließen uns einer anderen Organisation an.
Wir haben uns zu acht am Hbf kennengelernt und sind in zwei Tagen so zusammenge­schweißt, dass wir jetzt immer noch alle Kontakt haben und uns der Hilfsorganisation Helfer Hbf e.V. angeschlossen haben.
Was wünscht Ihr Euch von anderen Ehrenamtlichen und was kann die Stadt tun, um ehrenamtliche Helfer zu unterstützen?
Ich bin mega stolz auf unsere Erstaufnahme Helfer aus Hamburg. In den letzten Wochen haben wir wieder gezeigt, dass wir Hamburger zusammenhalten und ich bin stolz auf Euch! Ihr habt super viel geleistet und ohne Euch wäre die Stadt im Chaos versunken.
Macht weiter so und lasst Euch von Rückschlägen nicht demotivieren oder unterkriegen, sondern macht genauso weiter wie bisher.
Mein Motto ist: Aufgeben ist keine Option!
Es kann nicht sein das die EA-Helfer alles geben was Sie haben, aber keine Unterstützung (bis auf zwei seltene Ausnahmen) von der Stadt bekommen oder alles von denen abgelehnt wird. Wir müssen Hand in Hand arbeiten und zusammenhalten. Ich persönlich muss sagen, dass ich von der Innenbehörde mehr als enttäuscht bin, wie mit uns umgegangen wurde!

Was habt Ihr für die nächsten Wochen geplant um den Geflüchteten aus der Ukraine hier in Hamburg zu helfen?
Geplant ist es, sich offiziell mit Zelten am Hfb und oder in Rahlstedt an der EZA aufzustellen. Spenden, Essen, Trinken ausgeben, den Kindern Kuscheltiere geben, ein erstes Lächeln in die Gesichter der Vertriebenen zu zaubern. Etwa wie damals bei den Syrien-Flüchtlingen.
Wir haben sehr viel organisiert und in Petto. Wir brauchen nur endlich nach 6 Wochen ?! mal eine Zusage / Genehmigung von der Stadt.
Ansonsten machen wir es weiterhin als Privatmenschen, was aber an den Kräften zehrt. Mit einer offiziellen Genehmigung wäre alles viel leichter. Außerdem bin ich dabei, auch die Tiere in der Ukraine mit Futterspenden zu versorgen. ♥♥♥